Die BVSHOE-Mitgliedsorganisation Marfan Initiative Österreich hat einen Leserbrief zu den jüngsten Todesfällen durch Aorten-Notfälle in den Salzburger Nachrichten veröffentlicht. Lesen Sie hier den Leserbrief im Original-Text:
Leserbrief: Todesfälle durch Aorten-Notfälle
Die Berichte in den Medien über die beiden Todesfälle in OÖ und Salzburg nach Aortenriss bzw. Aneurysma haben uns sehr betroffen gemacht. Als Selbsthilfegruppe für Menschen mit angeborenen Bindegewebsdefekten sind wir oft mit diesem Krankheitsbild befasst. Betroffene dieser seltenen Erkrankungsformen (Marfan-Syndrom, Loeys-Dietz-Syndrom u. a.) haben ein hohes Risiko für diese Art des akuten Notfalls. Nicht selten erfolgt auch erst nach dem Notfall die Diagnose der Grunderkrankung. Viele unserer Mitglieder haben zum Teil schon in jungen Jahren diesen Notfall und die Operation überlebt, was unserem – an sich exzellenten – Gesundheitssystem zu verdanken ist.
Vorsorge war in diesen Tagen ein oft gehörtes Schlagwort. Immer noch werden diese Erkrankungen jedoch viel zu spät diagnostiziert, wichtige Maßnahmen wären, Familienscreenings durchzuführen, wenn ein Fall in der Familie bekannt wird, und die Aufmerksamkeit des medizinischen Personals bezüglich der Symptomatik zu schulen. Geplante Operationen können diese Notfälle verhindern und bergen viel weniger Risiko für die Patienten.
Die traurigen Vorfälle machen auf jeden Fall Mängel sichtbar. Nicht umsonst wird vor dem Mangel an Personal in den verschiedensten medizinischen Bereichen, Auswirkungen des Sparkurses und strukturellen Defiziten gewarnt. Gerade chronisch kranke Patienten können viele Beispiele nennen, woran dies bereits zu erkennen ist.
Es ist nicht ganz klar, warum Stunden vergangen sind, bis die operative Versorgung der Notfälle geklärt werden konnte. Wo genau in diesen Fällen die Schwachpunkte lagen, wird hoffentlich offengelegt werden. Möglicherweise gab es Fehlverhalten oder Fehlentscheidungen, viel wahrscheinlicher ist jedoch das Zutagetreten von strukturellen Schwächen, Mängeln an Kooperation, Koordination und Flexibilität. Da gilt es, genau hinzusehen.
Der Äußerung der Gesundheitsministerin in einer ersten Reaktion nach Bekanntwerden der Fälle – „So etwas darf nie wieder passieren.“ – kann man sich nur anschließen.
Dafür muss jedoch einiges getan werden. Wir werden als Selbsthilfegruppe jedenfalls nicht müde werden, auf Missstände hinzuweisen, zu informieren, aber auch das medizinische Personal in ihren Anliegen zu unterstützen. Gerne bringen wir auch die Erfahrungen von Überlebenden solcher Notfälle in die Diskussion und gegebenenfalls in Arbeitsgruppen ein.
Margit Aschenbrenner, Dagmar Nötzl,
für den Vorstand der Marfan Initiative Österreich
(Original-Artikel in den Salzburger Nachrichten)
Auch Bundesverband Selbsthilfe Österreich fordert kollektive Patientenbeteiligung
Wir als Bundesverband Selbsthilfe Österreich sind ebenso wie die Marfan Initiative Österreich der Meinung der Gesundheitsministerin nach Bekanntwerden der Fälle: „So etwas darf nie wieder passieren.“ Wir weisen darauf hin, dass der einzige Weg, damit so etwas nie wieder passiert, ist, durch kollektive Patient:innenbeteiligung die Erfahrungen von Überlebenden solcher Notfälle in die jetzt von Bundesministerin Schumann gegründeten vier Reformgruppen einfließen zu lassen. Namentlich in die Reformgruppen:
- Notfallversorgung im klinischen Bereich
- Digitalisierung des Gesundheitswesens
- Zurückdrängen einer Zwei-Klassen-Medizin
- Gesundheitsberufe – Neue Rollenbilder und Kompetenzen
Der BVSHOE unterstützt das Vorhaben der Ministerin, als Basis für weitere Reformen zunächst eine umfassende Analyse der Versorgungslandschaft in Österreich durch ein externes Institut durchführen zu lassen: „Wir müssen genau wissen, wo welche Leistungen erbracht werden und unter welchen Rahmenbedingungen“, sagte die Gesundheitsministerin. Der BVSHOE empfiehlt dringend, eine solche Analyse auch auf Basis der Erfahrungen von Überlebenden solcher Notfälle vorzunehmen.
Zum Hintergrund: Todesfälle aufgrund fehlender/zu später Notfallversorgung
Es gab in den letzten Wochen einige Berichte rund um tragische Todesfälle aufgrund fehlender/zu später Notfallversorgung. Der erste Fall war der Tod einer Patientin in Rohrbach mit einem Aortenriss, die aus Kapazitätsgründen von keinem spezialisierten Spital behandelt werden konnte und verstarb. Dann wurde auch über weitere ähnliche Fälle in den Medien berichtet.

